Muttis Mythos: Fernsehen macht eckige Augen

"Von zu viel Fernsehen kriegst Du viereckige Augen" – dieser Elternspruch ist so unsinnig wie er klingt. Warum Kinder trotzdem nicht so viel vor der Glotze hängen sollten.

Kolumnen
Von Anna Biß, 14.01.2022 0 Kommentare

Das erste Mal richtig ferngesehen hat mein Sohn mit vier. Meine Tochter gleichzeitig mit knapp zwei – das zweite Kind macht ja vieles früher durch als das erste: die erste Erkältung, den ersten Keks, das erste Mal Fernsehen. Als er dann zu nah an den Fernseher kroch, meldete sich bei mir sofort das schlechte Gewissen: "Das ist doch schlecht für die Augen", erklingt Mutti in meinem Kopf. "Jein", sagen Fachleute.

Fakt ist: Eckig werden die Augen auch vom stundenlangen Fernsehen nicht. Das ist ein Mythos, der wohl in der Form des Fernsehers begründet liegt und von Eltern dazu benutzt wird, ihre Kinder von der Flimmerkiste, wegzulocken. Das Mittel ist fragwürdig. Die Absicht aber nicht ganz unbegründet.

Langes Fernsehen kann – bei Kindern wie Erwachsenen – zu Kopfschmerzen und trockenen oder sogar brennenden Augen führen, da wir dabei weniger blinzeln und die Augen deshalb weniger befeuchtet werden.

Zu viel Fernsehen oder das falsche Programm birgt für Kinder natürlich Gefahren, für die Augen liegt das Problem bei kleinen Kindern aber nicht im Fernsehen selbst. Problematisch ist vielmehr die dabei entstehende Blickmonotonie, also der immer gleiche Abstand zum Bildschirm. Und gerade Kinder neigen dazu, geradezu hypnotisch auf den Fernseher zu starren – die Augen sind weniger in Bewegung, der Blick schweift selten in die Ferne. Das gleiche ist übrigens auch der Fall, wenn Kinder stundenlang in ein Buch gucken!

Für Kinderaugen, die sich noch in der Entwicklung befinden, ist eine ständige Abwechslung zwischen Nah- und Fernsicht aber wichtig, damit beides ausreichend trainiert wird. Andernfalls kann, nicht muss, zu langes Fernsehen, ständiges aufs Smartphone bzw. den Computer gucken oder Lesen bei jungen Kindern Kurzsichtigkeit verursachen bzw. bestehende Sehschwächen verstärken.

Aber: Kurzsichtigkeit entsteht durch eine Überlänge des Augapfels. Sie kann Veranlagung sein, aber auch zu viel Naharbeit und zu häufiger Aufenthalt in Innenräumen fördert sie. Beides ist beim Fernsehen der Fall. Dahingegen belegen zahlreiche Studien, dass das Längenwachstum des Auges durch Bewegung und Tageslicht deutlich gehemmt wird. Spielen Kinder also ausreichend im Freien, spricht auch nichts gegen wohldosiertes, altersgerechtes Fernsehen!


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