Gibt es heute noch Piraten?

Jan Labetzsch von der Bundespolizei erzählt uns wie moderne Seeräuber vorgehen und warum sie überhaupt zu Verbrechern auf See werden.

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Von Warum!-Redaktion, 13.10.2021 0 Kommentare

Jan Labetzsch, Bundespolizei
Jan Labetzsch leitet die Maritime Ermittlungs- und Fahndungsgruppe der Bundespolizei See. Sein Sachbereich kümmert sich um Verbrechen und Vergehen, die auf dem Meer begangen werden.

Herr Labetzsch, gibt es eigentlich heute noch Piraten?

JL: Ja. Es gibt heute Seeräuber vor Somalia, Nigeria und in Indonesien. Sie haben allerdings wenig mit den Abenteuer-Gestalten gemein, an die Kinder denken, wenn sie Piraten spielen. Meistens sind das Seeleute, einfache Fischer, die an der Küste leben. Wenn die Fischer rausfahren und keinen einzigen Fisch mehr fangen, muss die Familie hungern. Die vorbeifahrenden Schiffe sind dann natürlich verlockend und bedeuten bares Geld. Oft ist es die Armut, die die Piraten antreibt.

Worauf genau haben sie es abgesehen?

JL: Vor Somalia wollen sie meistens das Schiff im Ganzen kapern, mit Besatzung und Ladung. Anschließend erpressen sie die Reederei. Vor Westafrika haben es die Piraten eher auf die Ladung abgesehen. Sie überfallen zum Beispiel Öl-Tanker, die vor den Häfen ankern. Nachts kommen sie mit kleineren Tankern heran und pumpen das Öl ab, um es auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Rund um Indonesien werden oft auch private Segelyachten überfallen, die in einsamen Buchten ankern. Dort sind die Seeräuber meist auf Schiffsausrüstung, Schmuck und Geld aus.

Woher wissen die Piraten, wann ein Schiff vorbeifährt?

JL: Alle Schiffe haben ein Erkennungssignal, mit dessen Hilfe man ihre Route verfolgen kann. Vor Somalia melden sich inzwischen viele Schiffe bei den internationalen Marinestreitkräften an und fahren dann mit ausgeschaltetem Signal, um sich zu schützen. Das hat allerdings den Nachteil, dass man nicht sehen kann, wo sie sich gerade befinden, wenn sie trotzdem überfallen werden.

Wie läuft so ein Überfall ab?

JL: Das Hauptschiff der Piraten wird von kleineren und schnelleren Motorbooten begleitet. Sehen sie dann ein großes Schiff, das in Frage kommt, fahren die schnellen Boote ganz dicht an den Frachter ran und warten auf ein Wellental, damit die Bordwand näher kommt. Dann versuchen sie, das Schiff mit Hilfe von langen Leitern mit Haken dran zu borden.

Wie schützt sich die Crew vor Piraten?

JL: Der Kapitän kann zum Beispiel die Geschwindigkeit und den Kurs anpassen. Die Mannschaft spannt Stacheldraht um die Reling, manche versuchen die Piraten auch mit dem starken Strahl einer Wasserkanone abzuwehren. Mittlerweile haben die meisten Schiffe, die in gefährlichen Zonen kreuzen, bewaffnete Sicherheitsleute an Bord. Oft reicht es bei einem Angriff schon aus, wenn die Wachleute den Seeräubern ihre Waffen zeigen, dann drehen die meisten schon ab.

Und wenn die Piraten es doch an Bord geschafft haben?

JL: Dann flüchtet die ganze Mannschaft in eine sogenannte Zitadelle. Das ist ein versteckt im Schiff liegender Raum, der verstärkte Wände und Türen besitzt. Vorher stellt die Crew noch den Schiffsmotor ab und setzt ein Notsignal ab. Wenn die Piraten nur Ladung klauen wollen, dann sind sie auch recht schnell wieder verschwunden. Wenn sie allerdings die Mannschaft als Geiseln nehmen, um Geld zu erpressen, kann sich das quälend lang hinziehen. Manche Überfälle enden leider auch mit Verletzten und Toten auf der einen oder anderen Seite.

Wie kann man das Problem der Seeräuberei lösen?

JL: Polizei und Armee können das Problem nicht lösen. Dafür muss sich politisch etwas ändern. In den von der Piraterie betroffenen Ländern müssen sich gut funktionierende Staaten entwickeln, und dass muss von anderen Ländern unterstützt und gefördert werden. Wenn die Piraten einem normalen Beruf nachgehen können, haben sie es nicht mehr nötig, Schiffe zu überfallen.

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