Muttis Mythos: Das kommt gleich zu den Ohren wieder raus

Meine fast zweijährige Tochter ist eine kleine Raupe Nimmersatt, auch wenn man es ihr nun wirklich nicht ansieht, denn sie wiegt immer noch soviel wie andere mit 10 Monaten. Aber es ist schon erstaunlich, was in ein so kleines Kind alles reingeht – grade, wenn es Nudeln oder Kartoffeln sind. Als sie dann neulich zum vierten Mal Nachschlag verlangte, passierte es. Ich sagte zu ihr: "Das kommt Dir gleich zu den Ohren wieder raus." Ha, erwischt! Wieder so ein Mutti-Spruch, der es in die nächste Generation geschafft hat. Auch wenn er – anatomisch betrachtet – natürlich Unsinn ist.

Zwar gibt es eine Verbindung zwischen Ohr und Nasen-Rachenraum, nämlich die Eustachische Röhre oder auch Ohrtrompete, die aber allein dem Druckausgleich zwischen der Paukenhöhle im Mittelohr und der Außenluft dient. Das ist vor allem beim Fliegen, Tauchen, Seilbahnfahren oder Bergsteigen wichtig, also Dingen, bei denen wir leicht einen Druck auf den Ohren bekommen.

Zum Rachenraum hin ist die Ohrtrompete in Ruhe durch einen elastischen Knorpel verschlossen, der sich durch Muskelkraft nur zum Druckausgleich öffnet. Das ist zum Beispiel auch beim Sprechen, Gähnen und Schlucken der Fall. Dabei öffnet sich die Ohrtrompete kurz, sodass Luft bis ins Mittelohr eindringen kann.

Bei Nahrung funktioniert das aber allein schon deshalb nicht, weil die Eustachische Röhre vom Rachen aus gesehen schräg nach oben verläuft und Essen kann ja nicht klettern, sondern wird durch die Schwerkraft und den Schluckvorgang ganz von allein nach unten in die Speiseröhre und von da aus in den Magen befördert.

Der Schluckvorgang läuft in vier Phasen ab – die wichtigste für unsere Frage ist die dritte, die sogenannte Pharyngeale Phase (Pharynx = Rachen). Nachdem im zweiten Schritt der Schluckreflex ausgelöst wurde, verschließen sich in der dritten Phase als Schutzreflex automatisch die Atemwege, die Nase durch den weichen Gaumen bzw. das Gaumensegel und die Luftröhre durch den Kehlkopfdeckel. Die Nahrung kann normalerweise also noch nicht einmal bis in Nase vordringen, es sei denn, es liegt eine Erkrankung, eine Schluckstörung, vor.

Zwar gibt es immer wieder Berichte von Betroffenen, dass zumindest der umgekehrte Weg des Essens, also Erbrechen, durch die Nase möglich ist – von ganzen Champignons ist da die Rede! Normalerweise bleibt die Ohrtrompete aber auch dabei geschlossen. "Wenn der Druck allerdings groß genug ist, kann das durchaus passieren", bestätigt Dr. med. Michael E. Deeg, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Doch dass das Erbrochene in die Ohren vordringt, geht wirklich nur von außen!

"Das Ohr selbst ist zudem durch das Trommelfell nach außen hin verschlossen, sodass aus den Ohren wirklich nichts rauskommen kann", erklärt Dr. Deeg.

Also Mutti, rede keinen Quark! Ich kann so viel Essen wie ich will – oder halt bis ich platze ;).

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