Interview: Wie besteigt man den Himalaya?

Extreme Höhe, Kälte, wenig Sauerstoff ... Im Warum!-Interview erzählt Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner, wie es ihr dennoch gelingt, das höchste Gebirge der Welt zu erklimmen.

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Von Warum!-Redaktion, 12.02.2018 0 Kommentare

Gerlinde Kaltenbrunner ist die erste Frau, die alle 14 Hauptgipfel des Himalaya ohne Zuhilfenahme von zusätzlichem Sauerstoff erreicht hat. Aufgewachsen ist sie in Spital am Pyhrn in Oberösterreich. Dort nahm sie der Pfarrer sonntags nach der Messe auf ihre ersten Bergtouren mit. Mit 23 Jahren hat sie ihren ersten Achttausender gemeistert.

Was ist im Himalaya anders als in den Alpen?

Im Himalaya und im Karakorum-Gebirge sind die Berge bis über 8.000 Meter hoch. Für diese Höhen muss man sich sehr gut vorbereiten, um nicht höhenkrank zu werden. Die Vorbereitung dauert insgesamt ein Jahr. Wir planen, organisieren und müssen körperlich intensiv trainieren. Um überhaupt zu diesen Bergen zu gelangen, wandern wir oft tagelang bis zum Fuß des Berges. Yaktreiber mit ihren Tieren oder auch Talträger unterstützen uns dabei, die gesamte Ausrüstung inklusive Verpflegung bis ins Basislager zu transportieren. Der Yak ist eine Rinderart, die in Zentralasien als Nutztier gehalten wird.

Wie lange brauchen Sie zum Gipfel?

Eine 8.000er-Expedition dauert bis zu zwei Monate. Um uns an die Höhe zu gewöhnen, brauchen wir bereits mehrere Wochen: Wir steigen den Berg mehrmals ein Stück auf und wieder ab, bei jedem Aufstieg ein Stück höher. Bei Schlechtwetterphasen mit viel Neuschnee müssen wir im Basislager auf besseres Wetter warten. Sonst drohen uns beim Gipfelaufstieg Lawinen.

Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner
Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunenr

Wie finden Sie Ihren Weg?

Schon zu Hause suchen wir mithilfe von Bildern und Berichten über frühere Expeditionen nach einer machbaren und möglichst sicheren Aufstiegsroute. Vor Ort im Basislager verbringen wir vor dem Aufstieg oft sehr viel Zeit mit dem Erkunden einer möglichen Route mit dem Fernglas.

Gibt es da oben Tiere?

Ja, am Mount Everest zum Beispiel sah ich auf 8.300 Meter noch kleine Vögel. Und auch die Alpendohlen fliegen sehr weit hinauf, am Berg Makalu habe ich welche bis auf einer Höhe von 7.800 Metern gesehen.

Wie halten Sie die Kälte aus?

Es geht nur mit sehr warmer Bekleidung. Auch mit meinen Gedanken kann ich viel steuern: Wenn meine Zehen eiskalt sind, stelle ich mir ganz warme Lichtstrahlen vor, die meinen Körper bis zu den Zehen durchströmen. Außerdem muss man genug Flüssigkeit zu sich nehmen, um die Blutzirkulation im Körper gut aufrechtzuerhalten. Denn in großer Höhe wird das Blut dicker, und so kann es leichter zu Erfrierungen kommen. Ich selbst trinke in großer Höhe zwischen fünf und sechs Liter täglich.

Gerlinde Kaltenbrunner schmilzt Schnee
In großer Höhe ist es wichtig, viel zu trinken. Deshalb bringt Gerlinde Kaltenbrunner bei einer Bergtour jeden Tag einige Stunden damit zu, Schnee zu schmelzen.

Und was machen Sie, wenn Sie mal müssen?

Das wird manchmal zu einer aufwendigen Herausforderung. Im steilen Gelände muss ich mich dabei sichern, um nicht abzustürzen. Durch die oft enorme Kälte ist es kaum möglich, meinen Daunenanzug hinunterzuziehen. Meine Kleidung hat deshalb ein spezielles Reißverschlusssystem, das ich von vorne nach hinten öffnen kann, und meine Unterhosen sind zum Beispiel unten nicht zugenäht, sondern nur überlappt.

Ist das Runterkommen genauso  schwierig wie das Raufkommen auf den Berg?

Beim Abstieg ist das Risiko, abzustürzen, am höchsten. Viele sehen nur den Gipfel und wie man hinaufkommt. Mit den letzten Reserven oben angekommen, fehlt oft die Kraft und Konzentration für den Abstieg, und genau dann passieren Fehler. Für mich ist es ganz wichtig, mich selbst zu kontrollieren: Reichen meine Reserven? Bin ich genug konzentriert? Wir achten im Team auf uns, machen vor dem Abseilen einen Partnercheck und kontrollieren die Sicherungen auch gegenseitig.

Facts zum Himalaya

Der Himalaya ist das höchste und größte Gebirge der Welt. Es liegt in Asien und erstreckt sich über die Länder Afghanistan, Pakistan, Indien, China, Nepal, Bhutan und Myanmar.

Zehn der weltweit 14 Berge, die höher als 8.000 m sind, liegen im Himalaya. Der Mount Everest ist mit 8.848 m der höchste Berg der Welt.

Die Höhenluft enthält weniger Sauerstoff. Die meisten Menschen in Tibet sind genetisch daran angepasst und vertragen die dünne Luft besser als andere Menschen.

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