Interview: Wie wird man Astronautin?
Völlig schwerelos mitten im Universum schweben: als Astronaut oder als Astronautin ist das möglich. Kein Wunder also, dass genau dieser Beruf zu den weltallerliebsten der Kinder gehört. Doch welche Voraussetzungen benötigt man eigentlich, um mit einer Rakete ins All fliegen zu können? Die Astronautin Insa Thiele-Eich erzählt es Euch!
Insa Thiele-Eich (34) soll die erste deutsche Astronautin im All werden und im Jahr 2020 Weltraumstation ISS fliegen. Im April 2017 wurde die Meteorologin von der privaten Initiative „Die Astronautin“ für diese Mission ausgewählt.
Frau Thiele-Eich, wie wird man Astronautin?
Die erste Voraussetzung ist ein naturwissenschaftlicher oder ein technischer Beruf oder ein Pilotenschein. Im Auswahlverfahren zählt neben Wissen und schneller Auffassungsgabe vor allem, wie gut man mit Konflikten und Stress umgehen kann.
Warum ist das so wichtig?
Auf der Raumstation ist man einer lebensfeindlichen Umgebung ausgesetzt. Hinzu kommt, dass man seine Familie vermisst, das Essen nicht so schmeckt wie sonst … Als Astronautin muss ich in dieser Extrem-Situation dauerhaft mit Kollegen zusammenarbeiten – auch mit solchen, die ich vielleicht nicht so mag. Um das hinzukriegen, muss man sich selbst sehr gut kennen.
Wie wurde das getestet?
Immer wieder wurde künstlicher Stress in Gruppensituationen erzeugt. Wir mussten zum Beispiel sehr viele Aufgaben in sehr kurzer Zeit erledigen. Wenn man das Volumen eines Kegels berechnen soll, ist das zwar nur Schulwissen der 7. oder 8. Klasse. Unter Zeitdruck ist es aber trotzdem schwer, vor allem wenn man weiß, dass alle anderen, die da sitzen, auch den Traumjob wollen.
Wie verläuft das Training?
Ich mache das zweijährige Basistraining nebenberuflich und arbeite noch zu 70 Prozent an der Uni in Bonn. Ein typischer Trainingstag sieht so aus: morgens eine Stunde laufen, dann Theorie. Das heißt, ich lese Bücher und schaue Online-Material an, um mich mit der Raumstation und den Experimenten, die dort stattfinden, vertraut zu machen. Nachmittags nehme ich dann zum Beispiel Flugstunden in einer Cessna.
Sie üben in einem Kleinflugzeug für die Fahrt ins All?
Es gibt natürlich riesige Unterschiede zwischen einer Cessna und einer Sojus, mit der wir später zur ISS reisen werden. Aber es werden ähnliche Fähigkeiten benötigt: Man sitzt in einer Maschine und darf keinen Fehler machen. Vor dem Abflug muss man Checklisten durchgehen, man braucht ein Verständnis für die Abläufe und muss schnell auf technische Probleme reagieren können. Die Schwerelosigkeit simulieren wir in größeren Maschinen. Bei Parabelflügen wird die Nase des Flugzeugs 45 Grad nach oben und dann 45 Grad nach unten gezogen. Aufwärts erlebt man die doppelte Schwerkraft – wie beim Start einer Rakete. Abwärts fällt man zwanzig Sekunden durch den Flieger und ist dadurch quasi schwerelos.
Wie fühlt sich das an?
Die Schwerelosigkeit ist der Wahnsinn! Vielleicht so ähnlich wie wenn man beim Einschlafen das Gefühl hat, man fällt. Aber auch in die andere Richtung wird es spannend: Die Muskeln werden so stark runtergezogen, dass man sich sehr anstrengen muss, um lächeln zu können. Dann geht die Schwerkraft in der Simulation auf null, alles entspannt sich plötzlich und fliegt nach oben. Die meisten müssen dann einfach loslachen. Nur der Übergang ist für den Magen etwas unangenehm, wie in der Achterbahn.
Warum wollen Sie ins Weltall? Als Meteorologin müssten Sie gar nicht so hoch hinaus.
Das stimmt, das meiste Wetter spielt sich bis zu zehn Kilometern über der Erdoberfläche ab. Mich reizt die körperliche Grenzerfahrung und dass ich mich in so viele verschiedene neue Fachgebiete einarbeiten darf. Jede Astronautin auf der ISS führt ja verschiedene Experimente für ein viel größeres Wissenschaftler-Team auf dem Boden durch. Außerdem fand ich das Weltall schon als Kind faszinierend – die Vorstellung, dass da noch ganz viele andere Galaxien sind, die wir nur nicht sehen können, weil das Licht so lange bis zur Erde braucht.
Ein paar Zahlen
zur internationalen Raumstation ISS
27.700 km/h ist die Durchschnittsgeschwindigkeit der ISS, mit der sie die Erde täglich 16 Mal umkreist
450 t wiegt das größte Objekt, das jemals von der Erde ins All befördert wurde
320 km hoch über unseren Köpfen im All werden sowohl innerhalb als auch außerhalb der Raumstation Experimente durchgeführt
16 Länder haben beim Bau der Raumstation zusammengearbeitet